Die Schwere des Seins
âZwischen uns der Flussâ von Michael Klier, Lena Urzendowsky, Kotti Yun, Gaya von Schwarze
Alice und Cam, zwei Frauen aus unterschiedlichen Welten, stehen vor der existentiellen Frage: Wie geht Leben? In einer Welt voller KomplexitĂ€ten suchen die jungen Frauen nach Orientierung. Cam (Kotti Yun) hat sich zu Beginn des Films komplett vom Leben zurĂŒckgezogen. Nach einem rassistischen Ăberfall befindet sie sich zur Therapie in einer Klinik.
Von dem schrecklichen Ereignis komplett traumatisiert, drĂŒckt sich ihre innere LĂ€hmung auch Ă€uĂerlich dadurch aus, dass sie aufgehört hat, zu sprechen und zu laufen. Alice (Lena Urzendowsky) hingegen lĂ€uft viel â vor allem durch die Elbwiesen. Hier fotografiert und filmt sie den Fluss und seine Umgebung und postet anschlieĂend Protestbotschaften gegen eine geplante Bebauung am Flussufer in den sozialen Medien. Ihre ganze Zeit und Leidenschaft gelten diesem Aktivismus. DafĂŒr lĂ€sst sie ihr Studium schleifen, und auch fĂŒr ihren Freund Chris hat sie kaum noch Zeit. Nach einer Umweltaktion zur Rettung der Elbwiesen wird Alice zu zwei Monaten Sozialdienst in der Klinik verpflichtet, in der Cam Patientin ist. So kommt es, dass sich die zwei Frauen begegnen, denn Alice bekommt die Aufgabe, sich um Cam zu kĂŒmmern.
WĂ€hrend Alice nonstop auf Cam einredet, in dem Versuch, etwas aus ihr herauszubekommen, schweigt Cam beharrlich. Immerhin bringt Alice sie dazu, den Rollstuhl zu verlassen und erste Schritte zu gehen. Und als Cams Klinikaufenthalt zu Ende geht und sie nicht weiĂ, wohin sie gehen soll, lĂ€dt Alice sie ein, bei ihr im vornehmen Villenviertel zu wohnen. Cam findet allmĂ€hlich wieder ihre Worte und fĂ€ngt an, von sich zu erzĂ€hlen. Langsam öffnet sie sich und bietet Alice einen winzigen Einblick in ihre Welt. PrekĂ€re Wohnsituation, ein Freund, der sie zur Heirat und Kinderkriegen drĂ€ngt, gepaart mit ihrem Trauma â das alles lastet schwer auf Cam. Auch Alice fĂŒhlt sich vom Leben gebeutelt, doch ihr Weltschmerz besteht im Vergleich nur aus kleinen Stichen der Befindlichkeit. Erst als sie durch Cams Brille blickt, wird ihr langsam bewusst, wie gekĂŒnstelt ihr eigenes Beklagen einer angeblich ach so schweren Kindheit ist, und wie viele Privilegien sie als weiĂe Person tatsĂ€chlich genieĂt.
In ruhigen Bildern und langen Einstellungen wird die wachsende Freundschaft der zwei jungen Frauen geschildert. Es passiert nicht viel. Sie reden, sie tauschen Blicke und BerĂŒhrungen, sie schweigen, sie radeln â und dabei dreht sich alles um die groĂe, existenzielle Frage: Wie will ich leben? Durch die Freundschaft zueinander wĂ€chst in beiden die Kraft, am Ende den Weg zu finden, der fĂŒr jede von ihnen gangbar ist. Ein poetischer Film ĂŒber Freundschaft und das Erwachsenwerden. mehr Filmrezensionen? Hier.
Deutschland 2023, Laufzeit: 94 Min.
Regie: Michael Klier
Darsteller: Lena Urzendowsky, Kotti Yun, Henriette Heinze
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