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Gesellschaft und Umwelt

Wo europäische Werte enden

Ich packe meinen Trolley, Koffer, Rucksack – und verreise nach Irgendland. Ich kann das, weil ich aus Deutschland komme und deutsche Reisende in 190 Länder der Welt ohne Visum einreisen können. Was für ein Luxus. Ob als Low-Budget-Rucksackreisende:r, Business Traveller oder Tourist:in mit großem oder kleinem Reisebudget – für uns gibt es kaum Grenzen, die Welt steht uns offen. Woher dieses Privileg kommt? Weil wir die besseren Menschen sind? Die Vorbildreisenden? Diejenigen, die Abenteuer in der Fremde erleben dürfen? Egal, warum wir reisen, es ist für uns eine unhinterfragte Selbstverständlichkeit, mobil sein zu dürfen.

Für sehr viele Menschen gilt dieses Privileg nicht. Sie müssen umständliche Formulare ausfüllen, Gründe nennen, warum sie verreisen wollen und ein volles Bankkonto vorweisen, ehe sie zum Beispiel aus einem Land wie Ghana nach Deutschland einreisen dürfen. Nur hohe Beamte, Politiker:innen und Geschäftsleute kommen in den Genuss eines deutschen Visums. Neuerdings bekommen Menschen aus Ghana nur dann ein deutsches Einreisevisum, wenn sie zusätzlich zu den bereits genannten Bedingungen mindestens schon drei Mal in ein Schengen Land eingereist sind. Heißt: Wer noch nie in Europa war, darf nie nach Europa?

Wundert es, dass sich Viele ohne die ganzen Visa-Formalitäten auf den Weg machen? Jene, die keine Zeit für den ganzen Bürokratiekram haben, weil die Ausreise drängt? Jene, die vor Kriegen und autokratischen Regierungen, vor Hunger und Elend flüchten? Jene, die ohnehin keine Chance auf ein Visum haben? Es treibt auch sie in die EU, wo angeblich Demokratie und Menschenrechte herrschen. Hier hoffen sie Asyl, Arbeit und eine lebenswerte Zukunft zu finden.

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Film und Buch Musik

Fisherman’s Friends 2 – Eine Brise Leben

Shanty Sänger Reloaded

Die wahre Geschichte der Fischer aus Port Isaac, die mit ihren Seemannsliedern 2010 die britischen Charts eroberten (11 Wochen lang unter den Top 10-Alben), wurde bereits 2019 erfolgreich verfilmt. Nun wird diese weitererzählt. Das Drehbuch schrieben wieder Meg Leonard und Nick Moorcroft, die diesmal auch die Regie übernahmen.

Der Erfolg hat nicht nur das Leben der Chormitglieder und ihrer Familien, sondern auch das Fischerdorf an der Küste Cornwalls stark verändert. Wie es mit Ruhm und Erfolg so ist, zieht Port Isaac nun Touristen an, die Immobilienpreise steigen und mit der Ruhe vor dem Song ist es vorbei. Jim (James Purefoy) ist der ganze Rummel too much. Seit dem Tod seines Vaters, Gründungsmitglied des Chors, hat er keine Lust mehr – auch nicht auf die Einhaltung eines zweiten Plattenvertrags mit Universal Music. Weder die aus London angereiste Music Managerin Leah Jordan (Jade Anouka) noch seine Mutter Maggie (Maggie Steed), können den sturen Fisherman zum Weitersingen bewegen. Und dann gibt es auch noch ein neues Chormitglied, Morgan (Richard Harrington), mit dem sich Jim partout nicht vertragen will. Das kommt dem Chef der Plattenfirma gerade recht, da er ohnehin den Vertrag kündigen will. Doch der Rest des Chors hat auf den Plattenvertrag gesetzt. Und so versuchen sie, Jim umzustimmen. Allein die Sängerin Aubrey, gespielt von der irischen Folk-Ikone Imelda May, die in Port Isaac etwas Ruhe vor Paparazzi sucht, scheint Jims weichen Kern zu verstehen. Das Einzige, was Jim noch mal zum Singen bewegen könnte, wäre eine Einladung, in Glastonbury aufzutreten. Also fädelt Maggie mit List und Langusten das auf ihre Art ein. Doch bevor die singenden Männer die Bühne betreten, gibt es vorher eine waghalsige Rettungskation.

„Fisherman’s Friends 2“ ist eine gefällige Milieuschilderung, die eine herzliche Story über raue Männer mit dem Herz am richtigen Fleck erzählt. Das alte traditionelle Leben in einem Fischerdorf wird herrlich romantisiert. Hier gibt es noch ein Gefühl von Heimat, Tradition, Liebe und Zusammenhalt. Auch deshalb hat sich Aubrey schließlich dorthin verzogen. All das, so impliziert der Film, geht verloren, wenn man zu viel London, Fortschritt, Neuzeit und Wokeness reinlässt. Ein bisschen Kritik an zu viel „Traditionsliebe“ gibt es aber auch, etwa wenn eine Reporterin das Interview mit einem Chormitglied abrupt abbricht, weil dieser sich sexistischer Begriffe bedient, wie es harte Kerle nun mal schon immer getan haben. Jene, die in See stechen sowieso. Allzu hart fällt die Kritik jedoch nicht aus. Der arme Kerl hat keine Ahnung, was er verbrochen haben soll und man hat fast Mitleid mit ihm. Auch wenn der Film also ein wenig Fortschrittskritik übt, bleibt diese mild und fast wohlwollend. Die Musik, das Meer, die Liebe – das sind die Themen und machen den Film zu einem idealen Feelgood-Sommerfilm. Schließlich will Mensch nicht immer nur Problemfilme gucken.

(aus Choices)

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Gesellschaft und Umwelt Lifestyle

Kein Recht auf Wohnraum?

Food, water, clothing, shelter: Die 4 Dinge, die der Mensch zum Leben braucht, konnten wir in der 3. Klasse alle runterleiern. Als privilegierte Kids aus der Mittelschicht hatten wir alle ausreichend Nahrung, Wasser, Kleidung. Und Shelter, also ein Dach über’m Kopf, hatten wir selbstverständlich auch. Und doch sahen wir in unserer direkten Umgebung Menschen, die diese Dinge nicht hatten. Nach Einbruch der Dunkelheit, im Schein der Kerosinlampen, richteten die in Lumpen gekleideten shelterlosen ihre Nachtlager vor geschlossenen Läden, unter Brücken und am Straßenrand ein. Als Kind stellt man viele Fragen: Warum betteln sie? Warum schlafen sie auf der Straße? Man wird mit irgendwelchen Erwachsenen-Antworten abgespeist und denkt erstmal, die Welt im globalen Süden ist nun mal so. Verhungert ist damals allerdings keiner und in den Tropen muss auch kein Obdachloser erfrieren. Im globalen Norden, so wurde und wird immer noch suggeriert, ist alles viel besser. Hier wird für alle gesorgt. Das solidarische soziale System gewährleistet die 4 Basics für alle Bürger:innen.

Aber die Wirklichkeit zeigt, dem ist nicht so. Für immer mehr Menschen wird es schwieriger, sich die 4 Basics leisten zu können. Das gilt vor allem für das Dach überm Kopf … HIER weiterlesen