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Gesellschaft und Umwelt

Von Menschen und Hunden

Hunde begleiten den Menschen seit tausenden von Jahren. Sie halfen früher bei der Jagd, hüteten Behausungen und Güter, kämpften mit gegen Feinde und trugen zur zivilisatorischen Entwicklung des Menschen bei. Ein Leben ohne Hunde? Undenkbar.

Der beste Freund des Menschen ist der Hund. Von Erasmus über Voltaire bis hin zu den Hundebesitzer:innen, denen man im Park beim Spaziergang begegnet, behaupten das die Menschen immer wieder. Und da ist etwas dran, denn die gesellschaftliche Entwicklung unserer Spezies steht in enger Verbindung zu diesen Vierbeinern und brachte daher schon früh eine große emotionale Nähe zu ihm. Es gibt verschiedene Theorien, wie sich diese Nähe über die Jahrhunderte entwickelt haben könnte. Eins scheint sicher: Ohne den Hund als Wächter, Schützer und Begleiter hätte uns der Säbelzahntiger wahrscheinlich früh ausgerottet. In einem Steinbruch bei Bonn wurde ein Grab entdeckt, in dem vor über 14.000 Jahren ein Mann und eine Frau zusammen mit einem Hund begraben wurden. Für Forscher ein Indiz dafür, dass Hunde Menschen begleiteten, lange bevor der Mensch sesshaft wurde. Das tun sie bis heute.

„Wer nie einen Hund gehabt hat, weiß nicht, was lieben und geliebt werden heißt“, Arthur Schopenhauer.

In Deutschland werden Hunde geliebt. Von fast allen. Auch von Menschen, die selbst keine Hunde haben. Laut einer Studie des Industrieverbandes Heimtierbedarf mögen nur 6% der Befragten hierzulande keine Hunde. Das dürfte die 10,5 Millionen Hunde freuen, die aktuell hier leben. Herrchen und Frauchen geben immer mehr Kohle für ihre Lieblinge aus, für immer mehr Angebote. Brauchten Hunde früher nur Futter und Auslauf, gibt es heute neben einer Vielzahl an Menüs und Snacks auch Pflege-, Beauty- und Life-Style Produkte. Diverse Gadgets sorgen für Freizeitspaß. Es gibt Salons, Restaurants und spezielle Urlaubsangebote. Für Hundefutter wird doppelt so viel ausgegeben wie die für Babynahrung, im Jahr 2022 über 2 Milliarden € (für Hunde) gegen knapp 1 Milliarde € (für Babynahrung). Zwar gibt es deutlich mehr Hunde als Kleinkinder. Aber just saying.  Für Hundebedarf insgesamt beträgt die Summe, die in Deutschland jährlich ausgegeben wird ca. 6 Milliarden Euro,  Hundesteuer und Tierarztkosten nicht eingerechnet.

„Gib dem Menschen einen Hund und seine Seele wird gesund.“ Hildegard von Bingen

Doch Hunde kosten ihren Besitzer:innen nicht nur eine Menge Geld, sie geben auch viel zurück. Vielen Menschen geben sie das Gefühl, bedingungslos geliebt zu werden und einen treuen Begleiter fürs Leben zu haben. Gerade für ältere Menschen kann das wichtig sein. Hunde (und Haustiere generell) lindern Einsamkeit, helfen Stress zu reduzieren und Krankheiten wie Bluthochdruck oder Depression entgegenzuwirken. Hier können Sie weiter lesen.

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Film und Buch Gesellschaft und Umwelt Lifestyle

Schwarze Menschen anschauen? Zwei Neuerscheinungen

Derzeit erinnern sich viele Orte an ihre koloniale Vergangenheit. In Dortmund zeigt das LWL Museum Zeche Zollern aktuell und noch bis zum 26. Oktober 2025 die Ausstellung „Das ist kolonial“, in der versucht wird, Westfalens Rolle und (un)sichtbares Erbe der Kolonialzeit sichtbar zu machen.  In Dresden ist hingegen soeben im Stadtmuseum eine Werkausstellung über koloniale Völkerschauen mit dem Titel „Menschen anSchauen“ zu Ende gegangen. Dort gab es nicht nur Exponate aus dem Fundus des Museums, sondern es wurde versucht, mit einem Begleitprogramm eine Brücke von damals bis heute zu schlagen. In Dresden, wie auch an vielen anderen Orten im Deutschen Reich wurden zur deutschen Kolonialzeit (und auch noch danach) Menschen aus den Kolonien zur Belustigung der deutschen Bevölkerung in sogenannten „Völkerschauen“ oder „Menschenzoos“ ausgestellt. Wie diese unmenschliche Praxis das Bild eines Großteils der damaligen Gesellschaft geprägt hat, wird durch die Ausstellung spürbar. Aber wenig präsent ist heute, dass die Eindrücke und Bilder von vor über 125 Jahren bis in die heutige Zeit nachwirken.

Im reich bebilderten Band „Menschen anSchauen“ werden viele historische Bilder zusammengetragen, die insbesondere für von Rassismus betroffene Menschen (Trigger-Warnung!) sehr schmerzhaft zu betrachten sein können. Jedoch ist die Auseinandersetzung mit solchen Bildern nötig, wenn man sich mit der unrühmlichen Zeit auseinandersetzen will, als Menschen aus den Kolonien wie Tiere im Zoo vorgeführt wurden. Gleich das erste Bild im Band macht den schizophrenen weißen Blick deutlich. Auf einem Foto, aufgenommen ca. 1909 steht ein (namenloser) Schwarzer Mann, vermutlich ein Völkerschau-Teilnehmer, Zigarette rauchend an einen Zaun gelehnt, vor einem Hinweisschild mit der Aufschrift „Achtung! Alle Tiere beißen.“ Eine Zigarette zu rauchen, gehörte damals zum guten Ton. Der Mann auf dem Bild raucht eine. Gleichzeitig ist er jedoch eingezäunt und es wird vor bissigen Tieren gewarnt. Wie passt das zusammen? Der Band vereint nicht nur unangenehm anzuschauende Bilder, sondern liefert auch einige interessante längst vergessene Biografien und fordert dabei ein Nachdenken über eine Praxis, die u.a. durch de Gebrüder Hagenbeck  zu einer im ganzen Land gängigen Freizeitaktivität wurde.  Gleichzeitig will das Buch helfen mit alten Sehgewohnheiten zu brechen, indem es die Wurzeln vieler kolonialer Kontinuitäten sichtbar macht.  Selbst für Leute, die sich schon ein wenig mit der Thematik befasst haben, dürfte das Buch Neues liefern. Etwa über den „Nubier“ Hersi Egeh Gorseh, dessen Geschichte selbst in Somalia bis heute kaum bekannt ist. Oder  den „schwarzen Menschen“ Thomas Todmann, der ein häufiger Darsteller in verschiedenen Schauen war. Aufschlussreich ist auch eine 6-seitige (!) Übersicht der Menschenschauen, die zwischen 1878 und 1934 allein in Dresden stattfanden. Fast 80 waren es an der Zahl.  Dies macht deutlich, dass solche Spektakel keine Randerscheinung waren, sondern fester Bestanteil einer  „Kultur“, die eine weiße Überlegenheit in den Köpfen einer breiten Gesellschaft verankerte. Denn selten ging es darum, fremde Kulturen wirklich kennenzulernen. Vielmehr wurden Menschen als exotisch, andersartig, primitiv zur Schau gestellt. So trugen diese Spektakel dazu bei, Schwarze Menschen und People of Colour herabzusetzen. Vor dem Hintergrund des zunehmenden Rassismus in Deutschland lohnt sich ein Blick in dieses Buch, das deutlich zeigt, wo die Wurzeln liegen. Weder für Schwarze noch für weiße Menschen ist dies eine angenehme Lektüre. Aber lehrreich allemal.

Viel angenehmer ist hingegen das Buch „Afrika in Mode. Luxus, Handwerk und textiles Erbe“ von dem ghanaischen Designer Ken Kweku Nimo . Auch in diesem Band kann man viele Menschen anschauen, doch hier ist es nicht der white gaze, der vorherrscht, sondern ein Blick von Schwarzen Modemachern und Designern auf die afrikanische Modegeschichte. „Afrikanische“ Mode hat schon seit über hundert Jahren Eingang auch in die westliche Modewelt gefunden. Selbst zu Zeiten, als man die Menschen als primitiv herabstufte, war und ist es immer noch chic oder avant garde, einzelne Elemente zu übernehmen.  Kulturelle Aneignung nennen das manche.  Ein etwas problematischer Vorwurf wenn man bedenkt, dass Kunst sich oft durch Aneignung, Umwandlung und Umdeutung entwickelt. Kunst kann selten in einem Vakuum entstehen. Die bunten African Prints sind ein klassisches Beispiel in der Mode. Die vermeintlich typisch afrikanischen Stoffe mit ihren bunten Mustern, die das Straßenbild in allen Ländern südlich der Sahara dominieren, stammen eigentlich aus Holland und haben ihren Ursprung in Java.  Auch die Perlen, die die einzigartige Perlenkunst vieler Ethnien wie etwa der  Xhosa, Zulu, Massai oder Ndebele hervorgebracht haben, haben ihren Ursprung jenseits von Afrika. Europäische Händler brachten sie einst aus Italien. Das erfährt man im ersten Kapitel des Buchs, in dem es um die Geschichte der afrikanischen Mode geht. Der größte Teil des Bandes  widmet sich den zeitgenössischen Modedesigner:innen und deren Labels. Von Imane Ayissi (Kamerun) über Taibo Bacar (Mosambik) bis zu Mimi Plange (Ghana) werden Designer:innen vorgestellt und ihre Kreationen gezeigt. Diese lassen sich mit jedem Haute Couture Label messen, sind aber außerhalb der Modebranche selbst den meisten Menschen unbekannt. Während fast jeder schon mal von Marken wie Chanel oder Gaultier gehört hat, kennen die wenigsten das Label Peuhl Vagabond von Dyenaa Diaw, die in ihren Kreationen Ensembles aus afrikanischen Webstoffen und gefärbten Textilien herstellt. Herrenanzüge aus Batik, Jump-Suits, die waxprint mit fließender Seide kombinieren oder Roben aus gewebten marokkanischem Stoff mit Satinärmeln bieten Opulentes fürs Auge. Interviews mit einigen Top-Designer:innen des Kontinents über ihren Inspirationen und wie sie Luxus definieren, runden den Band ab.

Auch wenn ich persönlich keines der vorgestellten Outfits tragen würde, macht es wirklich Spaß durch dieses reich bebilderte Buch zu blättern. Dabei lernt man nicht nur die Modeelite Afrikas kennen, sondern auch das eine oder andere über die Geschichte von Stoffen wie Kente, Adinkra oder die allerorts beliebten wax prints, sowie woher die nächsten Toptrends kommen könnten.

Hier und Hier gibt es noch mehr zu lesen.

 

Menschen anSchauen, Selbst- und Fremdinszenierungen in Dresdner Menschenausstellungen, Hrsg. Christina Ludwig, Andrea Rudolph, Thomas Steller u. Volker Strähle, 228 Seiten, Sandstein Verlag, 2024, 38,00 EUR.

Afrika in Mode. Luxus, Handwerk und textiles Erbe von Ken Kweku Nimo, 200 Seiten, Midas Verlag, 2024,  39,00 EUR.

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Film und Buch

Madame Sidonie in Japan

Die Geister, die sie losließ
„Madame Sidonie in Japan“
 von Élise Girard

„Are you a writer?“, fragt der Beamte am Flughafen, worauf die einst international gefeierte französische Schriftstellerin Sidonie Perceval (Isabelle Huppert) „Yes and no“ antwortet. Sidonie hat schon lange nichts mehr geschrieben. Seit dem Unfalltod ihres Mannes Antoine (August Diehl) lähmt sie eine Schreibblockade, die einhergeht mit einer Depression. Sidonie fühlt sich leer und antriebslos, zumal Antoine derjenige war, der im ehelichen Alltag die Dinge geregelt hat. Ohne ihn scheint Sidonie fast lebensunfähig zu sein. Als die Einladung ihres japanischen Verlegers Kenzo (Tsuyoshi Ihara) zu einer Lesereise durch Japan eintrifft, lehnt sie also zunächst ab. Zu schwach fühlt sie sich, um eine so lange Reise alleine anzutreten. Doch dass ihr Erstlingswerk nach fast vier Jahrzehnten in Japan eine Neuauflage genießt, kitzelt doch an ihrem Schriftstellerinnen-Stolz. Als Freunde sie drängen und der Verleger zudem verspricht, sie müsse sich um nichts kümmern, nimmt Sidonie die Einladung an.

In Japan angekommen wird sie mit den üblichen im Kino gern gezeigten Bildern und Situationen – und auch immer wieder mit Antoines Geist – konfrontiert. Wann verbeugt man sich wie lange vor wem? Wer steigt zuerst in ein Fahrzeug? Warum sind Hotelfenster immer verriegelt? Und wie geht man mit den allgegenwärtigen Geistern um? Natürlich bewundert Sidonie die Kirschblüten, die Schreine und Tempel, die sanften Nebelschwaden, die vom Wasser hochsteigen und sich um die Hügel legen. Regisseurin Girard bedient sich vieler der üblichen Japanbilder. Doch diese Klischees unterfüttern hier keine Culture-Clash-Komödie, auch wenn dem Publikum hier und da ein Schmunzeln entlockt wird, zum Beispiel wenn Antoines Geist oft im falschen Moment auftaucht. In diesem poetischen, einfühlsamen Film geht es weniger um kulturelle Unterschiede, sondern vielmehr um Gefühle wie Trauer, Verlust und Selbsthinterfragung. Sowie um die Fragen, die sich Menschen ab einem bestimmten Alter immer häufiger stellen, wenn sie auf ihr Leben zurückblicken – egal ob in Europa oder in Japan. Während Sidonie nach dem Tod ihres Mannes völlig aufgelöst ist und in eine Depression zu fallen droht, geht Kenzo, der eine ähnliche Verlusterfahrung erlebt hat, anders damit um. Hier spielen asiatische Spiritualität und der Umgang seiner Kultur mit dem Tod eine entscheidende Rolle.

Die ersten Taxifahrten zu den Lesungen finden fast schweigend statt. Überhaupt wird wenig geredet in diesem Film. Doch mit jeder Fahrt erzählen sich Autorin und Verleger mehr, lernen die jeweils andere Kultur, sich selbst und den anderen Stück für Stück besser kennen. Was kann noch werden, wenn man sich öffnet? Wenn man sich nicht mehr so verloren fühlt? Es sind wunderschöne, ruhige Bilder ohne viele Worte, mit denen Élise Girard diese Geschichte über das Älterwerden erzählt. Um Leidenschaft darzustellen, braucht es keine zerwühlten Bettlaken. Es reichen manchmal nur zwei Hände, die sich auf einer Taxirückbank peu à peu immer näherkommen, um sich am Ende zu berühren. auch hier zu lesen

Frankreich, Deutschland, Japan, Schweiz 2023, Laufzeit: 95 Min.
Regie: Élise Girard
Darsteller: Isabelle Huppert, Tsuyoshi Ihara, August Diehl
>> www.madamesidonieinjapan.de/