Kategorien
Film und Buch Gesellschaft und Umwelt Lifestyle

Schwarze Menschen anschauen? Zwei Neuerscheinungen

Derzeit erinnern sich viele Orte an ihre koloniale Vergangenheit. In Dortmund zeigt das LWL Museum Zeche Zollern aktuell und noch bis zum 26. Oktober 2025 die Ausstellung „Das ist kolonial“, in der versucht wird, Westfalens Rolle und (un)sichtbares Erbe der Kolonialzeit sichtbar zu machen.  In Dresden ist hingegen soeben im Stadtmuseum eine Werkausstellung über koloniale Völkerschauen mit dem Titel „Menschen anSchauen“ zu Ende gegangen. Dort gab es nicht nur Exponate aus dem Fundus des Museums, sondern es wurde versucht, mit einem Begleitprogramm eine Brücke von damals bis heute zu schlagen. In Dresden, wie auch an vielen anderen Orten im Deutschen Reich wurden zur deutschen Kolonialzeit (und auch noch danach) Menschen aus den Kolonien zur Belustigung der deutschen Bevölkerung in sogenannten „Völkerschauen“ oder „Menschenzoos“ ausgestellt. Wie diese unmenschliche Praxis das Bild eines Großteils der damaligen Gesellschaft geprägt hat, wird durch die Ausstellung spürbar. Aber wenig präsent ist heute, dass die Eindrücke und Bilder von vor über 125 Jahren bis in die heutige Zeit nachwirken.

Im reich bebilderten Band „Menschen anSchauen“ werden viele historische Bilder zusammengetragen, die insbesondere für von Rassismus betroffene Menschen (Trigger-Warnung!) sehr schmerzhaft zu betrachten sein können. Jedoch ist die Auseinandersetzung mit solchen Bildern nötig, wenn man sich mit der unrühmlichen Zeit auseinandersetzen will, als Menschen aus den Kolonien wie Tiere im Zoo vorgeführt wurden. Gleich das erste Bild im Band macht den schizophrenen weißen Blick deutlich. Auf einem Foto, aufgenommen ca. 1909 steht ein (namenloser) Schwarzer Mann, vermutlich ein Völkerschau-Teilnehmer, Zigarette rauchend an einen Zaun gelehnt, vor einem Hinweisschild mit der Aufschrift „Achtung! Alle Tiere beißen.“ Eine Zigarette zu rauchen, gehörte damals zum guten Ton. Der Mann auf dem Bild raucht eine. Gleichzeitig ist er jedoch eingezäunt und es wird vor bissigen Tieren gewarnt. Wie passt das zusammen? Der Band vereint nicht nur unangenehm anzuschauende Bilder, sondern liefert auch einige interessante längst vergessene Biografien und fordert dabei ein Nachdenken über eine Praxis, die u.a. durch de Gebrüder Hagenbeck  zu einer im ganzen Land gängigen Freizeitaktivität wurde.  Gleichzeitig will das Buch helfen mit alten Sehgewohnheiten zu brechen, indem es die Wurzeln vieler kolonialer Kontinuitäten sichtbar macht.  Selbst für Leute, die sich schon ein wenig mit der Thematik befasst haben, dürfte das Buch Neues liefern. Etwa über den „Nubier“ Hersi Egeh Gorseh, dessen Geschichte selbst in Somalia bis heute kaum bekannt ist. Oder  den „schwarzen Menschen“ Thomas Todmann, der ein häufiger Darsteller in verschiedenen Schauen war. Aufschlussreich ist auch eine 6-seitige (!) Übersicht der Menschenschauen, die zwischen 1878 und 1934 allein in Dresden stattfanden. Fast 80 waren es an der Zahl.  Dies macht deutlich, dass solche Spektakel keine Randerscheinung waren, sondern fester Bestanteil einer  „Kultur“, die eine weiße Überlegenheit in den Köpfen einer breiten Gesellschaft verankerte. Denn selten ging es darum, fremde Kulturen wirklich kennenzulernen. Vielmehr wurden Menschen als exotisch, andersartig, primitiv zur Schau gestellt. So trugen diese Spektakel dazu bei, Schwarze Menschen und People of Colour herabzusetzen. Vor dem Hintergrund des zunehmenden Rassismus in Deutschland lohnt sich ein Blick in dieses Buch, das deutlich zeigt, wo die Wurzeln liegen. Weder für Schwarze noch für weiße Menschen ist dies eine angenehme Lektüre. Aber lehrreich allemal.

Viel angenehmer ist hingegen das Buch „Afrika in Mode. Luxus, Handwerk und textiles Erbe“ von dem ghanaischen Designer Ken Kweku Nimo . Auch in diesem Band kann man viele Menschen anschauen, doch hier ist es nicht der white gaze, der vorherrscht, sondern ein Blick von Schwarzen Modemachern und Designern auf die afrikanische Modegeschichte. „Afrikanische“ Mode hat schon seit über hundert Jahren Eingang auch in die westliche Modewelt gefunden. Selbst zu Zeiten, als man die Menschen als primitiv herabstufte, war und ist es immer noch chic oder avant garde, einzelne Elemente zu übernehmen.  Kulturelle Aneignung nennen das manche.  Ein etwas problematischer Vorwurf wenn man bedenkt, dass Kunst sich oft durch Aneignung, Umwandlung und Umdeutung entwickelt. Kunst kann selten in einem Vakuum entstehen. Die bunten African Prints sind ein klassisches Beispiel in der Mode. Die vermeintlich typisch afrikanischen Stoffe mit ihren bunten Mustern, die das Straßenbild in allen Ländern südlich der Sahara dominieren, stammen eigentlich aus Holland und haben ihren Ursprung in Java.  Auch die Perlen, die die einzigartige Perlenkunst vieler Ethnien wie etwa der  Xhosa, Zulu, Massai oder Ndebele hervorgebracht haben, haben ihren Ursprung jenseits von Afrika. Europäische Händler brachten sie einst aus Italien. Das erfährt man im ersten Kapitel des Buchs, in dem es um die Geschichte der afrikanischen Mode geht. Der größte Teil des Bandes  widmet sich den zeitgenössischen Modedesigner:innen und deren Labels. Von Imane Ayissi (Kamerun) über Taibo Bacar (Mosambik) bis zu Mimi Plange (Ghana) werden Designer:innen vorgestellt und ihre Kreationen gezeigt. Diese lassen sich mit jedem Haute Couture Label messen, sind aber außerhalb der Modebranche selbst den meisten Menschen unbekannt. Während fast jeder schon mal von Marken wie Chanel oder Gaultier gehört hat, kennen die wenigsten das Label Peuhl Vagabond von Dyenaa Diaw, die in ihren Kreationen Ensembles aus afrikanischen Webstoffen und gefärbten Textilien herstellt. Herrenanzüge aus Batik, Jump-Suits, die waxprint mit fließender Seide kombinieren oder Roben aus gewebten marokkanischem Stoff mit Satinärmeln bieten Opulentes fürs Auge. Interviews mit einigen Top-Designer:innen des Kontinents über ihren Inspirationen und wie sie Luxus definieren, runden den Band ab.

Auch wenn ich persönlich keines der vorgestellten Outfits tragen würde, macht es wirklich Spaß durch dieses reich bebilderte Buch zu blättern. Dabei lernt man nicht nur die Modeelite Afrikas kennen, sondern auch das eine oder andere über die Geschichte von Stoffen wie Kente, Adinkra oder die allerorts beliebten wax prints, sowie woher die nächsten Toptrends kommen könnten.

Hier und Hier gibt es noch mehr zu lesen.

 

Menschen anSchauen, Selbst- und Fremdinszenierungen in Dresdner Menschenausstellungen, Hrsg. Christina Ludwig, Andrea Rudolph, Thomas Steller u. Volker Strähle, 228 Seiten, Sandstein Verlag, 2024, 38,00 EUR.

Afrika in Mode. Luxus, Handwerk und textiles Erbe von Ken Kweku Nimo, 200 Seiten, Midas Verlag, 2024,  39,00 EUR.

Kategorien
Film und Buch Lifestyle

Von der Leinwand auf den Laufsteg

Mode, Fashion, Haute Couture – bei diesen Wörtern werden Frauen schwach. Namen wie Gaultier, Gucci oder Galliano wecken Sehnsüchte nach feinem Fummel, hohen Hacken und ausgefallenen Accessoires. Selbst wenn der Kleiderschrank zum Bersten voll ist, das Shoppen nach neuen must-haves geht immer. Schon Ende des 18. Jahrhunderts spezialisierten sich Modejournale auf die Kleiderträume betuchter Damen. Die neueste Frühjahrstoilette wurde auf Farbstichen im Magazin für Frauenzimmer und dem Jahrbuch für das schöne Geschlecht abgebildet. Heute sind es die Stars und Models, die in Blättern wie Elle und Vogue zeigen, was angesagt ist. Die Macht solcher Modejournale wurde kaum treffender und bissiger geschildert als in der Komödie „Der Teufel trägt Prada“, in der Meryl Streep als gefürchtete Chefin des fiktiven Blatts Runway selbst Designer zum Zittern bringt. Prada tragen und über den roten Teppich schreiten – der Traum von Millionen Frauen.

Der Teufel trägt Prada: Meryl Streep als gefürchtete Modeblattmacherin

Vier mal im Jahr präsentieren Models während der Defilés die Kreationen, die in der nächsten Saison „in“ sind. Modescouts haben zuvor in den Metropolen der Welt die neuesten Trends erspürt. Wobei neu manchmal ganz schön alt aussieht. Flatternde Hippiekleider und Römersandalen, die Hits dieser Saison, feiern ihren zweiten Frühling. Auch Plateauschuhe aus den 70ern erleben ein Comeback, selbst die Legging aus den 80ern ist wieder da.
Wieder da: Der Plateauschuh

Neben dem Recycling, neu etikettiert als Retro-Chic oder Vintage-Look, blickt die Mode auch gerne nach Hollywood. Die Looks alleine an Models vorzuführen reicht lange nicht mehr. Filmpremieren sind die neuen Catwalks. Hier führen Angelina, Cameron & Co. die neuesten Kreationen der Designer vor, drehen sich im Blitzlicht der Fotografen und rufen gleich die Namen der Schöpfer für die korrekte Bildunterschrift dazu. Die Fotos schmücken dann die Seiten der Modemagazine. Und Frauen auf der ganzen Welt ahmen die Looks nach. Frauen, Film und Fashion – drei Begriffe, die untrennbar sind und dafür sorgen, dass sich der Modezirkel immer dreht. Alleine in Deutschland geben Frauen über 17 Milliarden Euro jährlich für Kleidung aus – Schuhe, Taschen und sonstige Accessoires nicht mitgezählt!

Stars haben bereits seit den 1920er Jahren Trends gesetzt, die mit dem Etikett „worn by the stars“ erfolgreich vermarktet wurden. Man denke nur an die Marlene-Hose, die damenhaften Kleider von Grace Kelly oder an das berühmte kleine Schwarze von Audrey Hepburn. Ohne dieses ist heute keine Design-Kollektion komplett. Auch männliche Stars setzen Akzente.

never out of style - Bogarts Trenchcoat

Humphrey Bogart machte den Trenchcoat unsterblich, und seit Miami Vice ist es kein Fauxpas mehr, wenn Mann unter seinem Sakko nur ein T-Shirt trägt. Das Zusammenspiel zwischen Zelluloid und Traumtextil funktioniert bis heute perfekt. Manch ein Designer verdankt gar erst der Leinwand seinen Weltruhm. Wer kannte zum Beispiel vor „Sex and the City“ schon Manolo Blahnik oder Jimmy Choo? Womit wir bei der endgültigen Verschmelzung von Film und Fashion wären. Wer in diesem Frühjahr/Sommer eine Modezeitschirift durchblätterte, stieß weltweit auf die Looks von Carrie & Co. In jüngster Zeit hat kein anderer Film die Modepresse mehr beflügelt. Die Outfits der vier New Yorkerinnen avancierten in kürzester Zeit zu den heimlichen Stars der Serie. Damit auch Fans mit kleinerem Budget sich kleiden können wie ihre Vorbilder, gibt es „offizielle Kollektionen“ und „limited editions“ etwa bei Peek & Cloppenburg oder von Görtz.
Dame mit Hut - Sophia Loren in Altmanns Prêt-à-Porter

Doch bekanntlich ist nicht alles Gold, was glänzt – so auch in der scheinschönen Mode-Welt. Robert Altmann hat schon 1994 einen satirischen Blick hinter die Kulissen des Business gerichtet. Seine Komödie „Prêt-à-Porter“ spielt in der Woche vor den Pariser Modeschauen und zeigt, welche Mechanismen zwischen Presse, Fotografen, Designer und Models am Werk sind. Mechanismen, die auch das Model Sara Ziff in der Doku „Picture me“ schildert. Ihr Film setzt dort an, wo Germany’s Next Top Model aufhört und zeigt, wie trügerisch der schöne Schein in Wirklichkeit ist.
Trotz aller Kritik halten wir es dennoch mit Nino Cerruti, der sagte: „Mode ist der angenehme Teil des täglichen Lebens.“ Wir müssen ja nicht jeden Fummel kaufen, wir können uns auch an Defilées auf großer und kleiner Leinwand ergötzen, und davon träumen, auch mal Prada zu tragen.

Lufthansa mediaworld September Ausgabe
LH-mediaworld_09_2010