In einer Zeit, in der wieder eine Nazi-Partei im Deutschen Bundestag sitzt, ist es angebracht zu fragen: Wie konnte es so weit kommen?
Es scheint, als ob ein nicht unerheblicher Teil der Deutschen die Geschichte vergessen hat. Damit sich GrĂ€ueltaten der Vergangenheit nicht wiederholen, mĂŒssen wir immer wieder an die Geschichte erinnert werden. Ein neuer Film, der dies ohne erhobenen Zeigefinger tut, ist die Doku âGermans & Jews â Eine neue Perspektiveâ.
Der Film bringt nichtjĂŒdische und jĂŒdische Deutsche sowie in Deutschland lebende Juden zusammen, und lĂ€sst sie ĂŒber ihre Beziehung zu Deutschland und zur deutschen Geschichte reden. Diese Nachkriegsgeneration â sie sind Lehrer, Journalistinnen, Historiker, Wissenschaftlerinnen â  erzĂ€hlt, wie sie ihre Kindheit und ein Leben mit dem Trauma der Eltern- und GroĂelterngeneration erlebt haben. Weiter lesen auf DiasporaNRW.net
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Die Afrika-Forschung ist eng verknĂŒpft mit der „Entdeckungsgeschichte“ des Kontinents. Die ersten Seefahrer brachten ErzĂ€hlungen nach Europe mit, spĂ€ter wurden Expeditionen von Europa aus ausgerĂŒstet, den Kontinent zu âentdeckenâ und seine Geschichte zu schreiben. Diese frĂŒhen âForscherâ waren oftmals Abenteurer, bestenfalls Anthropologen. Es waren ĂŒberwiegen weiĂe MĂ€nner, die nach Afrika aufbrachen, um ĂŒber Afrika zu schreiben. Jahrhundertelang haben sie den Blick auf den Kontinent und auf das Wissen aus Afrika bestimmt. Diesen ersten Forschern und Wissenschaftlern haben wir die bis heute weit verbreitete Idee eines unterentwickelten Kontinents zu verdanken, weil die europĂ€ische Kultur, die Wertevorstellungen und Kategorisierungen Europas stets den BewertungsmaĂstab stellten. Dieser eurozentristische Standpunkt hat Afrika stets degradiert. Als ob es in all den Jahrhunderten kein Wissen und keine Wissensvermittlung in Afrika gegeben hĂ€tte. Weiter zum Artikel (in englischer Sprache) und zu Faust Kultur (in deutscher Sprache).
Sonntag, 22. September 2019, Haus der UniversitĂ€t, DĂŒsseldorf: Stille im Saal. Aus der Stille ertönt der tiefe Ton eines Saxophons und dann spricht eine Stimme: âMon pĂšre voulait que je sois avocatâ – Mein Vater wollte, dass ich Anwalt werde. Denn als Anwalt verdient man gutes Geld. Und kann ein gutes Leben fĂŒhren. Ein Wunsch, der den Wunsch aller Eltern dieser Welt wiederspiegelt. Dass es den Kindern und Enkelkindern gut geht und sie ein komfortables Leben fĂŒhren mögen. Doch wer im Kongo als Anwalt arbeitet, arbeitet oftmals fĂŒr die gröĂten Verbrecher dieser Welt. Und deshalb will der ErzĂ€hler (Dorine Mokha) diesen Beruf nicht ausĂŒben. Und doch ist er Anwalt geworden, wenn auch nicht im juristischen Sinne.
Mit den Mitteln der Kunst â Tanz, Musik, Gesang, Narration â werden in âHerkules von Lubumbashiâ, Verbrechen aufgezeigt. Das StĂŒck haben der kongolesische Choreograph Dorine Mokha und der Schweizer Komponisten Elia Rediger entwickelt, um auf die Lage im Kongo hinzuweisen. Zu den Verbrechern an Land und Leuten gehören die gröĂten und respektabelsten Konzerne der Welt: BMW, Huawei, Nokia, Tesla, VW, ⊠die Liste lĂ€sst sich endlos fortfĂŒhren.
Doch ĂŒber all diesen bekannten Weltmarken thront der gröĂte Verbrecher von allen, die Schweizer Firma Glencore, die durch dubiöse und sehr verzweigte Tochterunternehmen und Beteiligungen zu einem der gröĂten Konzerne der Welt gewachsen ist. Das HauptgeschĂ€ft von Glencore â der Abbau von BodenschĂ€tzen wie Erz, Diamanten, Kupfer, Coltan und Kobalt. Diese Mineralien sind der Schmierstoff, der unsere moderne, industrialisierte und digitalisierte Welt am Laufen hĂ€lt. Und all diese SchĂ€tze findet man im Kongo. Der Kongo hat die AktionĂ€re der groĂen globalen Konzerne reich, und die Kongolesen zu den Ă€rmsten Menschen dieser Welt gemacht.
Und deshalb klagt nun die Stimme des Volksanwalts die Weltkonzerne an. Hinter ihm erhebt sich ein Triptychon aus drei groĂen LeinwĂ€nden, darauf zu sehen die rot-braune geschundene Erde Kongos, karg und tot. Es zeigt das, was vom tropischen Urwald ĂŒbrig bleibt, wenn die Minengesellschaften ihre Gewinne abgeschĂŒrft haben. Vor dem Triptychon erscheint in Intervallen der MĂ€nnerchor von Lubumbashi, der Chorale der Ungerechtigkeit einstimmt. Sie singen von UnfĂ€llen, von Angriffen auf Minenarbeiter, von den schlimmen Arbeitsbedingungen, unter denen Glencore und seine Unterfirmen arbeiten lassen.
Wer ist ĂŒberhaupt diese Firma Glencore, von der kaum jemand gehört hat? Wie operiert sie? Ein zweiter ErzĂ€hler (Elia Rediger) stimmt ein Lied an, das dem Publikum die Verflechtungen zu erklĂ€ren versucht. Zuerst fĂŒllen laute afrikanische TrommelklĂ€nge den Saal, dann erhebt sich seine Stimme in eine Arie, die immer rasender wird, bei dem Versuch alle Firmen, Politiker, AnwĂ€lte und bekannte Personen zu nennen, die im Kongo Interessen verfolgen und in irgendeiner Weise mit Glencore verbunden sind. Dazu tanzt Mokha groteske Balletschritte. Die Kluft zwischen Europa und Afrika, zwischen globalem Norden und globalem SĂŒden wird durch die Musik transportiert: klassische europĂ€ische KlĂ€nge treffen auf traditionelle afrikanische Rhythmen.
Am Ende hat man im Publikum den Durchblick trotzdem nicht bekommen, viel zu undurchschaubar und verzweigt sind die Verflechtungen, mit denen die mĂ€chtigen Konzerne dafĂŒr sorgen, dass ihre GeschĂ€fte intransparent bleiben. Was jedoch klar wird: verwickelt in diesen Machenschaften sind unzĂ€hlige Personen hohen Ranges. Doch keins der milliardenschweren Deals hat jemals Fortschritt fĂŒr die Menschen im Kongo gebracht. Im Gegenteil: Kongo gehört zu den Ă€rmsten LĂ€ndern der Welt. Die BĂŒhne wird dunkel. Nur die Stirnlampen der in Arbeitsoveralls gekleideten Musiker leuchten fahl. Der Minenchor singt nun von dem Leid der Menschen.
Das Publikum muss das ĂŒber sich ergehen lassen: âMenschen leiden, damit dein Telefon klingeltâ. Die globalen Verflechtungen, die Gier der Konzerne, die MissstĂ€nde, die Ungerechtigkeit, â man fĂŒhlt sich schier ohnmĂ€chtig. Was kann man tun? Kann man was tun?
Die Lage scheint hoffnungslos zu sein. Es ist dunkel auf der BĂŒhne, die Stirnlampen der einzige Lichtblick. Und doch: die Hoffnung stirbt zuletzt, wie es immer wieder heiĂt.
Und deshalb hoffen die Menschen im Kongo auf einen Helden, der sie retten wird.
TatsĂ€chlich erscheint dieser Herkules im letzten Akt, gebeugt unter einer schweren Last. Er bringt die ReichtĂŒmer aus den Minen Kongos zurĂŒck. Auch einige entwendete Millionen Euro flieĂen aus der Schweiz zurĂŒck ins Land. Fröhliche Tanzmusik fĂŒllt jetzt den Saal. Doch die Batteriefabrik, die die Minenarbeiter mit dem Geld errichten, geht pleite. Am Ende also doch die Ausweglosigkeit im Sinne einer klassischen Tragödie?
Im Januar 2020 finden zwei AuffĂŒhrungen in Berlin statt. Im Februar wird das StĂŒck auch in der D.R. Kongo aufgefĂŒhrt.
Weitere Vorstellungstermine werden auf der Webseite von Podium Esslingen bekannt gegeben. www.podium-esslingen.de