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Mutige Filme und Menschenrechte

Unlimited Hope Fritz Bauer & Raphael Lemkin Human Rights Film Awards in Bochum

Der Preisname klingt vielleicht sperrig: „Fritz Bauer & Raphael Lemkin Human Rights Film Awards“ – aber der Zeitpunkt, Filme auszuzeichnen, die sich mit Menschenrechten, Demokratie und Gerechtigkeit befassen, könnte nicht besser sein. Im Fritz Bauer Forum in Bochum wurden am Sonntag, 7. September 2025 die Human Rights Film Awards verliehen. Zuvor hatte an derselben Location drei Tage lang das noch junge Unlimited Hope Film Festival stattgefunden, ein Festival, das Filme wĂŒrdigt, die sich mit Menschenrechtsfragen beschĂ€ftigen.

Aus ĂŒber 20 Filmen hat die Jury, bestehend aus Sung-Hyung Cho, selbst Filmemacherin, Tobias Bastian, Sounddesigner und Mischtonmeister, der Schauspielerin Maria Wolf und dem Filmemacher und Fotografen Franz Birker drei Filme fĂŒr die Ehrung mit dem Preis ausgewĂ€hlt. Einen Langfilm, einen Kurzfilm und einen weiteren Film, der mit einer Sonderehrung bedacht wurde.

Sonderpreis: „Kein Land fĂŒr Niemand“

Der Sonderpreis ging an einen Film, dem die Jury eine besondere NĂ€he zum Lebenswerk der Juristen Fritz Bauer und Raphael Lemkin bescheinigte. In „Kein Land fĂŒr Niemand“ begeben sich die Filmemacher Max Ahrens und Maik LĂŒdemann auf eine Reise durch politisch turbulente Zeiten, in denen Migration zur Krise erhoben worden ist. Wir alle kennen die Bilder von ĂŒberfĂŒllten FlĂŒchtlingsbooten, die an den Außengrenzen Europas stranden. Wir alle haben mitbekommen, wie eine rechts-extremistische Partei gegen Migrant:innen hetzt, und wie selbst sogenannte demokratische Parteien wie CDU und SPD eine „Schotten dicht“- und „Abschiebe“-Politik betreiben. Woher kommt dieser Rechtsruck, dieser Mangel an Empathie fĂŒr Menschen, die – aus welchen GrĂŒnden auch immer – ihre Heimat verlassen mussten? Wie gehen GeflĂŒchtete oder Menschen mit Migrationsbiographien mit dem wachsenden Hass um? Der Film versucht, Antworten auf diese Fragen zu finden. Jury-Mitglied Thomas Bastian wĂŒrdigte den Film mit den Worten: „Dieser Film ist eine notwendige Stimme in einer Zeit, in der zu viele schweigen oder wegschauen. Danke fĂŒr diesen Mut. Danke fĂŒr diese Klarheit. Und danke fĂŒr einen Film, der uns alle angeht.“

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So ein Pech!

Ich habe lange gezögert, ehe ich mich im August 2022 zu einer empfohlenen HĂŒft-OP durchgerungen habe, einer „Routine-OP“, bei der so gut wie nichts schiefgehen könne, hieß es, durch das Rapid Recovery Programm wĂŒrde ich binnen weniger Tage entlassen werden und nach drei Wochen Reha „good to go“ sein. Heute, fast drei Jahre, mehrere Rehas und unzĂ€hlige Stunden Physiotherapie spĂ€ter, kann ich mich zwar ohne Rollstuhl, Rollator oder KrĂŒcken bewegen, bin aber nun ein „Mensch mit Behinderung“. Was ist passiert?

Der Ischias-Nerv wurde bei der OP zerquetscht. Folge: Unterschenkel und FußlĂ€hmung gepaart mit den schlimmsten Schmerzen, die ich je gehabt habe. Dagegen war die Geburt meines Sohnes ein Spaziergang. Medizinischer Name fĂŒr die Nervenschmerzen: Polyneuropathie. Kunst- oder besser Behandlungsfehler nennt man das, was mir passiert ist. Laut Medizinischem Dienst (MD) wurden im Jahr 2023 fast 12.500 VerdachtsfĂ€lle gemeldet und fast 3.600 als Behandlungsfehler anerkannt. Aber das sind nur die gemeldeten FĂ€lle, fĂŒr die Gutachten erstellt wurden – ungeachtet der Dunkelziffer von GeschĂ€digten, die keine Meldung machen, weil sie ohnehin keine UnterstĂŒtzung durch ihre Krankenkassen oder vom MD erwarten. Denn selbst bei den gemeldeten SchĂ€den werden 70% vom MD nicht als Behandlungsfehler anerkannt.

Dunkelziffer und Intransparenz

Einen erlittenen Schaden als Behandlungsfehler anerkannt zu bekommen, gleicht einer Zitterpartie. Die GeschĂ€digten mĂŒssen nĂ€mlich nachweisen, dass ihr Schaden eine direkte Folge der Behandlung ist. Doch fĂŒr Laien sind medizinische Sachverhalte schwer zu verstehen, wie sollen sie das nachweisen? Wo doch KrankenhĂ€user und Ärzt:innen, um Reputationsverluste zu vermeiden, intransparent agieren und ĂŒber Kolleg:innen selten negative Gutachten verfasst werden. Ich hatte laut Gutachter einfach „Pech“. Ein schuldhaftes Handeln könne nicht nachgewiesen werden.

Wie es weiter geht? Das lesen Sie HIER.

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Die deutsche Kolonialgeschichte und ihre Auswirkungen bis heute

Bereits nach den ersten Begegnungen von EuropĂ€ern mit nicht-weißen Menschen in den Amerikas im 15. Jahrhundert brachten die zurĂŒckkehrenden Konquistadoren ErzĂ€hlungen ĂŒber wilde, primitive Menschen nach Europa. Diese ErzĂ€hlungen fĂ€rbten die Bilder und Vorstellungen, die man sich in Europa von „wilden Eingeborenen“ machte, und trugen zur Entstehung rassistischer Denkweisen bei, die sich ĂŒber die Jahrhunderte hinweg verfestigten. Sie beeinflussten, wie 100 Jahre spĂ€ter mit Menschen aus Afrika zur Zeit des transatlantischen Sklavenhandels umgegangen wurde, nochmal 200 Jahre spĂ€ter mit Menschen in den Kolonien, und sie prĂ€gen bis heute den Umgang mit Menschen aus Afrika und Schwarzen Menschen im 21. Jahrhundert.

Der Begriff ‚Kolonie‘ kommt vom lateinischen Wort ‚colonia‘ und bedeutete in der Antike eine „Ansiedlung außerhalb des römischen BĂŒrgergebietes“[1]. In der Neuzeit entwickelte sich der Kolonialismus zu einem Unrechtsystem, das auf Ungleichheit und Rassismus basierte und systematisch und gewaltsam einheimische und indigene Bevölkerungen ausbeutete. Diese Art der Unterwerfung anderer Völker und Gebiete wurde im Laufe der letzten 500 Jahre von vielen europĂ€ischen Staaten praktiziert.

Als große ehemalige KolonialmĂ€chte gelten Frankreich und England, als „Entdecker“ und Eroberer neuer Welten portugiesische Seefahrer. Doch die neuzeitlichen AnfĂ€nge der kolonialen Expansion gingen tatsĂ€chlich von Deutschland aus – eine Tatsache, die gerne vergessen wird. Mitten in Deutschland, in Berlin, lud Reichskanzler Bismarck 1884/1885 zur Afrika-Konferenz (auch als Kongo-Konferenz bekannt) ein. Auf dieser Konferenz teilten die Staaten Europas den afrikanischen Kontinent wie eine Torte untereinander auf. Doch nicht nur Afrika, auch Teile Asiens und viele Inseln im Pazifik wurden zu Kolonien.[2]

Dabei hatte Bismarck ursprĂŒnglich kein Interesse an Kolonien. Er sah voraus, dass Kolonien langfristig zu Konflikten fĂŒhren wĂŒrden. Doch ihn drĂ€ngten mĂ€chtige Wirtschaftsvertreter der Zeit, die Zugang zu billigen Rohstoffen und Arbeiter*innen haben wollten. „So lange ich Reichskanzler bin, treiben wir keine Kolonialpolitik“[3], sagte Bismarck vor der Konferenz noch kategorisch. Bei der Konferenzeröffnung dann erklĂ€rte Bismarck, Ziel sei es, „den Eingeborenen Afrikas den Anschluß an die Zivilisation zu ermöglichen, indem das Innere dieses Kontinents fĂŒr den Handel erschlossen wird[4].

[1] Dudenredaktion 2020

[2] vgl. Baumgart 1992; Geiger/Melber 2021

[3] Otto von Bismarck 1881, zit. nach: Winfried Baumgart, Bismarcks Kolonialpolitik, in: Johannes Kunisch 1992, S. 141–153

[4] zit. nach: Gatter 1984

HIER können Sie eine PDF der Überblick-Ausgabe 1/25 herunterladen.